2004 Westkanada

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Berge, Städte, Abenteuer... - in 3 Wochen durch Kanadas Westen

17.05.2004 Calgary: Sunnyside, Salisbury Street, Heritage Park

Gegen fünf Uhr stehe ich heute auf. Nicht etwa, weil ich einen Termin habe, nein, sondern freiwillig. Kaum vorstellbar für alle, die mich kennen und meine Angewohnheit, immer sehr lange zu schlafen. Aber nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland jetzt schon 13 Uhr ist. Also habe ich doch lange geschlafen.
Bevor es wieder zur Straßenbahn geht, heißt es Kleingeld besorgen, und schon kann der Tag beginnen. Gestern habe ich mich noch beinahe lustig gemacht über den Optimismus, Drei-Wagen-Züge in Nordamerika einzusetzen. Wer fährt hier schon mit der Straßenbahn? Heute früh bekomme ich die Antwort auf meine Frage: die Züge sind proppevoll. Und das, obwohl sie alle 5 Minuten verkehren.

Aussicht vom Calgary Tower Vorne rechts ist die neue Stadthalle zu sehen (dreieckiges Gebäude), links daneben die alte Stadthalle. Aufgenommen am: 16.05.2004 Aussicht vom Calgary TowerAn der Station Sunnyside steige ich aus und folge meinem Gefühl, das mal wieder einen Aussichtspunkt wittert. Neben den Gleisen geht es durch eine Wohnstraße und eine Holztreppe hinauf, die auf eine große Wiese hinführt. Von hier oben hat man einen guten Blick auf die Hochhäuser der Innenstadt von Calgary und wie sie von grünen Wohnsiedlungen mit sehr niedrigerer Bebauung umschlossen werden. Hier treffen praktisch und virtuell zwei Welten aufeinander: Arbeiten und Freizeit. Der einzige Nachteil hier oben bleibt nur, dass man den Calgary Tower nicht sehen kann.

Ich laufe zu Fuß in die Innenstadt. Habe einfach keine Lust, mich bei diesem schönen Wetter in eine der überfüllten Bahnen zu stellen. So wie ich denken auch viele Leute, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit sind. So etwas würde es in Los Angeles nie geben.
Skyline von Calgary Vorne links das Eisstadion der Stadt, Saddle Dome, in Bildmitte der Calgary Tower. Aufgenommen am: 17.05.2004 Skyline von CalgaryAuf mich wartet der nächste Aussichtspunkt, diesmal etwas südlich der Innenstadt. Von der Stampede Station laufe ich die 14th Avenue Richtung Osten bis zur Brücke über den Elbow River, dann ein Stück Richtung Süden am Fluss entlang, um schließlich wieder über Treppenstufen einen Hügel zu erklimmen. Das Bild kommt einem doch schon bekannter vor, wenn man genügend Postkarten von Calgary gesehen hat: die Wolkenkratzer der Downtown, davor der Saddle Dome und der Calgary Tower. Von hier lässt sich auch ein kurzer Blick ins Stampede Stadium werfen, in dem im Juli die berühmte Calgary Stampede ausgetragen wird.
Stampede Stadium Dieser schöne Blick gewährt sich von der Salisbury Street. Aufgenommen am: 17.05.2004 Stampede Stadium Und wenn man Glück hat (ich scheine heute wohl auf der Sonnenseite zu leben), kann man einige Cowboys auf den Rücken der Pferde beobachten, wie sie den Tieren etwas Bewegung verschaffen.
Und wenn man noch mehr Glück hat (muss wohl sämtliche Glücksbringer zur Zeit horten), kann man sogar ein Fernsehteam dabei beobachten, wie sie eine Reportage über die Calgary Flames drehen und ihre Chancen, den Meisterpokal zu gewinnen, der da leibhaftig vor mir steht. Danach sehnt sich zurzeit die halbe kanadische und amerikanische Welt und ich stehe zwei Meter davon entfernt.
Aber genauso schnell wie ich hier oben erschienen bin, ist das Fernsehteam samt Pokal auch wieder weg. Übrig bleibt eine schöne Aussicht, ein Geräuschcocktail aus Autobahn und Rasenmäher sowie einer Handvoll Anwohner, die vor ihrem Weg ins Büro noch schnell mit dem Hund rausgehen.

Wieder mit der Straßenbahn unterwegs, die schon deutlich leerer geworden ist, mache ich mich auf zum Heritage Park. An der Station Heritage steige ich auf den Bus um, auf dem gerade ein Fahrerwechsel stattfindet. Aber bevor es endlich losgehen kann, muss der Bus noch mit den nötigen Flames-Fanartikeln verschönert werden.
Im Heritage Park wird versucht, die Geschichte Kanadas so detailgetreu wie nur möglich darzustellen. Eine Eisenbahnringlinie verbindet alle Parkteile miteinander. Ich steige am Bahnhof Laggan aus, der mich direkt zum ältesten geschichtlichen Teil des Parks führt, zur Siedlung vor dem Eisenbahnbau. Die Gebäude sind alle recht klein und ausschließlich aus Holz gebaut. Aus dem Livingston House kommt gerade eine Kinderschar heraus, so dass ich annehme, es ist gestattet, einzutreten. Im Innern ist der Besucherbereich vom Wohnbereich abgetrennt. Mitarbeiter des Heritage Park spielen hier verkleidet wie anno dazumal die Geschichte lebendig nach und sind mehr als bereit, neugierige Fragen immer und immer wieder zu beantworten.

erste Siedlungen im Heritage Park Aufgenommen am: 17.05.2004 erste Siedlungen im Heritage ParkDie Hausfrau ist gerade damit beschäftigt, einen fertigen Kuchen aus dem Backofen zu holen, den sie heute früh mit den einfachen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gebacken hat. Da komme ich ja gerade rechtzeitig, um ein Stück kosten zu können.
Nebenan, im Saloon, werde ich schon vom Barkeeper freundlich begrüßt. So früh schon Alkohol? Scherzt er, während wir reingehen. Da gebe ich nicht nach, sondern frage nur erstaunt, wo denn das Klavier sei, dass man in jedem Western im Saloon antrifft? „Mister Drew brauchte diese Art der Unterhaltung nicht. Er verstand es, seine Gäste mit dem Revolver zu unterhalten. Er schoss die Gläser in ihren Händen kaputt. Das war normal. Sheriff? Gab’s hier nicht. Der Mann, der am besten schießen konnte, hatte das sagen. Und das war Mister Drew.“ Er zeigt mir sogar einige Einschusslöcher in den Wänden.
Ein paar Häuser weiter befindet sich die Schule. An der Tafel stehen sich noch einige ungelöste Aufgaben. „Wie? Es ist zwei Uhr und noch so viele ungelöste Aufgaben? Was habt ihr denn den ganzen Morgen getan?“ Was einem sofort auffällt sind die kleineren Tafeln auf den Tischen, die praktisch die Hefte der Schüler darstellen. Ok, die älteren unter euch haben so etwas auch früher gehabt, aber für mich ist es einfach nur weit vergangenes. Wie schnell konnte Mutter doch da die ganzen Hausaufgaben vernichten, wenn sie nicht gut waren? Ebenso der Schnee, wenn so eine Tafel im Winter mal heruntergefallen ist.

Ich gehe noch einen Schritt weiter in die Vergangenheit, zum Hudson’s Bay Company Trading Fort. Dieser alte Handelsposten ist von einem großen Holzwall und Wachtürmen umgeben. Im Innenhof stehen einige Hütten, die den Händlern als Unterkunft dienten. Im Innern stehen Holzbetten, die statt einer Matratze Stroh auf Holzbalken enthielten. Wie ungemütlich sich dieses Schlafgemach anfühlt. Im Handelszentrum liegen Preislisten aus. Geld gab es noch kein, und so wurden Werte in Bieber aufgeführt.

Calgary Anfang des 20. Jahrhunderts im Heritage Park Aufgenommen am: 17.05.2004 Calgary Anfang des 20. Jahrhunderts im Heritage ParkVorbei an großen Farmen gelange ich in die Stadt. Das Leben spielt hier ungefähr Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Man merkt sofort den Unterschied zwischen Land- und Stadtbevölkerung: Wenn ich hier ein Haus betrete, werde ich nicht sofort mit Informationen und Geschichten überhäuft. In der Stadt ist alles etwas distanzierter und anonymer. Wie im richtigen Leben. Ist das hier Absicht?
Die Häuser sind hier im Allgemeinen schon größer als auf dem Lande und verfügen über elektrisches Licht, kunstvoll ausgestaltete Zimmer, Teppichböden auf den Treppen und bei reicheren Familien sogar über fließendes Wasser im Haus.
In den Obergeschossen befinden sich zahlreiche kleine Schlafzimmer, die in der Regel nur in der Nacht oder zum Umziehen aufgesucht wurden. Das Leben spielte sich in der untere Etage in einem der Wohnräume ab. Man kümmerte sich um den Haushalt oder spielte in der Freizeit ein Instrument. Für die Kinder war sogar Spielzeug vorhanden, wenn sie sich nicht phantasiereich im Garten austobten. Puppenhäuser, Teddybären und Raubritterburgen.

Eisenbahn im Heritage Park Hier befindet sich Parkbahn gerade am Bahnhof Laggan. Aufgenommen am: 17.05.2004 Eisenbahn im Heritage ParkInzwischen bin ich müde gelaufen und lasse mich mal wieder auf dem Zug sehen. Langsam kann ich meinen Lebenslauf im Schlaf runter beten und der ganze Heritage Park weiß über mich bescheid. „Da ist Markus aus Deutschland. Gerade mit der Ausbildung fertig, 3 Wochen Urlaub im Westen Kanadas. Nein, war noch nicht vorher da und wird auch ganz sicher den Icefields Parkway befahren. Ja, und zu den Flames hält er auch.“
Es wird Zeit, dass mir andere Leute mal ihr Leben offenbaren, z.B. der Lokführer. Er gesteht mir, dass er auch aus Deutschland ist und hier sein Kindertraum erfüllt: Lokführer auf einer echten Dampflok sein. Ob ich denn auch mal auf den Führerstand raufwolle? Diese Einladung kann ich unmöglich ablehnen.

Ja, und dann war da noch dieser andere Tourist, wohl auch aus Deutschland (habe ich sofort am Akzent erkannt). Er bat mich, ein Foto von ihm zu machen. „But from Kopf to Fuß, please“. Als ich ihm die Kamera zurückgebe, oute ich mich und sage: „Der Film ist voll”. Es braucht ein paar Anläufe bis er begreift, dass ich gerade deutsch mit ihm rede. Höre ich mich denn inzwischen so englisch an?

Übernachtung: Super 8 Motel - Calgary, ABBewertung: guter Durchschnitt Bewertungsnote 3
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