Am Morgen steht der alltägliche Abenteuerlauf durch das Viertel rund um mein Hotel auf dem Programm. Eigentlich ist es morgens nicht ganz so unheimlich, weil die meisten Obdachlosen sich dann in einer Wohltätigkeitseinrichtung ihr Frühstück abholen.
Zu Fuß erreiche ich die Alamo Mietwagen Station und wenige Minuten später bin ich vorübergehender Besitzer eines Chevrolets Cavalier. Dieser kleine weiße Kerl wird mich die nächsten zwei Wochen begleiten und auch hoffentlich bald zur Fähre bringen. Die Granville Street ist ja ewig lang. Die Fähren fahren zwar stündlich, aber ich habe doch keine Lust, eine ganze Stunde zu warten. Mann, wie viele Ampeln kommen denn da noch?
Skyline von Vancouver
Dieser Blick ergibt sich, wenn man von North Vancouver mit dem Seabus hinüber setzt.
Aufgenommen am: 20.05.2004
Endlich, ein kleiner Lichtblick an diesem Regentag, die Bebauung nimmt ab und die Straße ähnelt nun eher einer Schnellstraße, bis es dann plötzlich nach rechts zur Fähre abzweigt. So schnell wie ich dann doch am Anleger ankomme überrascht es mich dann doch.
Dies wird nicht meine einzige Fährüberfahrt bleiben. Ich beabsichtige, den kompletten Kreis über Comox, Powell River, Saltary Bay und der Sunshine Coast zu drehen und bestelle daher ein „Round Ticket“. „Nein, für hin und zurück müssen Sie die Rückfahrt auf der Insel lösen.“ Ok, ich meinte Circle Ticket, aber es ist schon blöd, dass ein Hin- und Rückticket übersetzt Rundfahrt bedeutet.
Auf Vancouver Island sind die Straßen auch nicht trockener. Durch die dichte Gischt der Vorausfahrenden folge ich der Straße an den vielen Reklametafeln vorbei. Ich könnte ein gemachter Mann sein, wenn ich die 1-800 Nummer anrufe, oder aber ich kann mich auf meinen Glauben verlassen und auf Kanal 106.5 stündlich beten. Die Auswahl der Werbung deckt alle Bereiche ab.
The Empress Hotel, Victoria
Aufgenommen am: 22.05.2004
Das Robin Hood Motel ist in der Seitenstraße schnell gefunden und obwohl es noch immer nicht aufhört zu regnen, entschließe ich mich, den Abend in der Innenstadt zu verbringen. Auf der Höhe des Empress Hotels, als ich noch immer keinen Parkplatz gefunden habe, ist meine Geduld zu Ende und ich stelle den Wagen in einem Parkhaus ab. Ist mir jetzt egal, wie viel die Stunde hier kostet.
An Regentagen hält man sich am besten drinnen auf (sagte ich das nicht gestern schon mal?) und so besuche ich zuerst die Miniature World in einem Seitenflügel des Empress Hotels. Auf kleinen Dioramen werden hier im Modell ausgesuchte Geschichtliche Ereignisse dargestellt. Außer der Transkontinentalen Eisenbahnverbindung, anschaulich auf einer meterlangen Anlage dargestellt, beziehen sich die meisten Exponate aber auf irgendwelche Schlachten, Kriege und sonstigen Auseinandersetzungen in der Welt. Der Besuch ist wirklich kein Muss. Noch bevor ich alles gesehen habe, bin ich auch wieder draußen und staune nicht schlecht: Die Sonne scheint.
Jugendband vor dem Empress Hotel
Aufgenommen am: 22.05.2004
Auf der unteren Promenade vor dem Empress Hotel baut ein Jugendorchester die Instrumente auf und nach einigen Abstimmungen legen sie auch gleich los. Es macht Spaß, unterhalten zu werden und sich über das warme Wetter zu freuen. Was mag wohl Klaus K in diesem Moment machen? Laut meiner Berechnung müsste er sich nun im Jasper Nationalpark aufhalten. Ich versuche erneut, ihn telefonisch zu erreichen, doch scheinbar hat er wieder keinen Empfang. Es wäre halt nur sehr interessant, jemand wildfremdes, den man nur übers Internet kennt, einmal am anderen Ende der Welt live und in Farbe zu treffen.
Ich trotte weiter in Richtung Parlamentsgebäude. In den Seitenstraßen finde ich eine Menge freier Parkplätze vor Parkuhren, in die man nun keinen Cent mehr einwerfen muss. Das ist doch die Lösung. Ehe ich noch weiterlaufe, schaffe ich erstmal mein Gefährt auf einen kostenlosen Parkplatz, bevor es mir im Parkhaus die Haare vom Kopf frist.
Wenn man schon einmal in den Nebenstraßen hinter dem Parlament herumschleicht, landet man früher oder später im Beacon Hill Park. Die Grünanlage ist zwar nichts besonderes, aber ich empfinde es immer als willkommene Abwechslung, mal ein wenig durchs Grüne zu schlendern. Parks in Städten sind doch immer wieder etwas Schönes. Nachmittags voller Leben – ich meine Freizeitorientiertes Leben – und abends herrlich ruhig, was auch viele Liebespaare für sich entdeckt haben.
Parlamentsgebäude bei Nacht Victoria ist die Hauptstadt der Provinz British Columbia. Aufgenommen am: 22.05.2004 Letzten Endes komme ich am Südufer der Insel aus, von wo man nun bei blauem, wolkenlosen Himmel (!) auf der gegenüberliegenden Seite die schneebedeckten Berge des Olympic NP (USA) sehen kann. Eine etwas versteckte Treppe führt neben vielen Trampelpfaden die Klippen hinunter an den schmalen Strand. Unermüdlich weht hier der Wind und genauso unermüdlich fressen sich Wellen zwischen den Steinen hindurch, bis das Wasser wieder langsam abfließt. Begleitet wird dieses Schauspiel von einem fernen Brummen irgendwelcher Schiffmotoren und leisem Hundegebell. Auf einem der großen Steine, die umringt von angespültem Treibholz sind, lässt sich sicher noch ein zauberhafter Sonnenuntergang erleben.
Als es dunkel geworden ist, werden alle Hunde von ihren Herrchen eingesammelt und auch ich kehre zu meinem Auto zurück, dass gegenüber dem beleuchteten Disneyschloss – Pardon, Parlament – geparkt ist. Was hätte ich mich geärgert, wenn ich nicht doch noch in die Stadt gefahren wäre. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben.