Wie schon gesagt: Jeder ist nun wieder auf sich allein gestellt. Die Tage der geführten Tour sind vorbei. Ich checke aus dem Hotel aus und fahre mit dem hoteleigenen Shuttlebus zum Flughafen. Ed sagte so etwas wie „...und dann mit dem Shuttlebus weiter“. Welchen Shuttlebus meint er? Ich habe wirklich keine Ahnung wo ich hin soll. Das Beste wird es wohl sein, ich nehme mir ein Taxi. So komme ich wohl am schnellsten an mein Ziel: Den Bahnhof von Los Angeles. Gleichzeitig reiße ich aber auch so am schnellsten ein großes Loch in meine Urlaubskasse.
Union Station, Los Angeles
Dies ist der Bahnhof von Los Angeles. Nicht weit entfernt befindet sich die Olvera Street.
Aufgenommen am: 27.04.2000
Am Flughafen sehe ich noch Kai und Markus, wie sie gerade am Terminal entlang laufen und ihr Gepäck hinter sich herziehen. Für die armen ist der Urlaub schon vorbei.
Am Bahnhof von Los Angeles ist nicht besonders viel los. Ich gebe mein Gepäck am Schalter auf und kann mich jetzt ein wenig freier bewegen. Zuerst einmal rufe ich zu Hause an. Nachdem ich die 30-40 Ziffern eingetippt habe, bekomme ich wirklich jemand Vertrautes ans andere Ende der Leitung.
Langsam füllt sich die Ankunftshalle. Gut, dass ich vorher mal ein wenig in Reiseführern übers Bahnfahren in Amerika gelesen habe. Sonst wäre ich sicher in deutscher Gewohnheit auf den Bahnsteig gelaufen und in den erstbesten Wagen. Hier läuft der Hase aber anders. Man reiht sich wohlgeordnet vor dem Schalter ein, die Tickets in der Hand, und bekommt dann seinen Waggon zugeteilt.
Nun erst geht es hinaus zum Bahnsteig und ehe ich mich nach meinem Wagen umsehen kann, kommt auch schon ein freundlicher Schaffner auf mich zu mit den Worten „Can I help you further?“ Kann er gerne mal versuchen. Ich schildere ihm meinen Wunsch, Wagen 1414 zu finden und er verweist mich auf den letzten Waggon des Zuges. „You’re welcome“.
Lok des Coast Starlight
Unser Zug steht abfahrbereit an der Union Station in Los Angeles.
Aufgenommen am: 27.04.2000
Hier wird man gleich vom nächsten Mitarbeiter in Empfang genommen, der einem dann den Sitzplatz zuweist. „Oceanside please!“ Man will ja während der Fahrt auch etwas zu sehen bekommen.
Bis zur Abfahrt dauert es noch über eine halbe Stunde. Ich laufe ein wenig am Bahnsteig auf und ab. Der freundliche Schaffner, der mir eben meinen Wagen gezeigt hat, scheint auch nicht viel zu tun zu haben. Ich bitte ihn, ein Foto von mir und dem Zug zu machen. Ich bedanke mich höflich, worauf er nur meint „You’re very welcome!“
Meine morgendlichen Bedenken, zum Bahnhof zu finden usw. stellen sich nun als unbegründet heraus. Man muss sich nur trauen und einfach durchfragen. Die Amerikaner sind so freundlich, die helfen einem gerne weiter.
Punkt 9:35, also mit 5 Minuten Verspätung, verlassen wir Los Angeles Union Station. Die Fahrt in den wirklich sehr bequemen Doppelstockwagen führt durch die Vororte und weiter an der Küste entlang Richtung Oxnard. Hier bin ich doch gestern erst gewesen...
Halt in Santa Barbara
Ich bin mit dem Coast Starlight unterwegs von Los Angeles nach San Francisco.
Aufgenommen am: 27.04.2000
In Oxnard halten wir nur kurz und setzen uns bald in Richtung Santa Barbara in Bewegung, wo es sich sogar lohnt, einige Minuten außerhalb des Zuges zu verbringen. Auf dem Bahnsteig folgt nun dasselbe Prozedere wie in Los Angeles. Die Reisenden treffen an den Türen auf den Schaffner des Wagens, der ihnen den Sitzplatz zuweist. Man denke mal darüber nach, wie viele Angestellte sich in einem Zug aufhalten. Hier in Deutschland ist man ja schon froh, wenigstens einen zu treffen, den man etwas fragen kann.
Blick ins Innere der Superliner
Wir befinden uns im Coast Starlight, der mich von Los Angeles nach San Francisco bringen wird. Dies ist einer der modernen doppelstöckigen Superliner.
Aufgenommen am: 27.04.2000
Wir setzen unsere Fahrt fort. Es folgt ein wirklich schöner Abschnitt der Reise. Ich mache es mir in meinem Sessel bequem und lege die Füße hoch. Der Abstand zum Vordermann ist enorm, so dass man selbst als 186cm Mensch die Beine voll ausstrecken kann. Der Schaffner verteilt Kissen und nimmt Namen von Leuten auf, die im Speisewagen zu Mittag essen wollen. Anders als in Deutschland ist der Speisewagen zur Mittagszeit stets hoffnungslos überfüllt. Um aber nicht im Durchgang warten zu müssen, wird man auf eine Liste gesetzt und über Lautsprecher gerufen, wenn etwas frei wird.
Vor meinem Fenster breitet sich der schier endlose Ozean aus. Heute früh hat es noch nach Regen ausgesehen und auch in Santa Barbara war der Himmel noch leicht bedeckt. Davon ist nun aber nichts mehr zu sehen. Die Sonne glitzert auf dem Meer und ich sehe einer Welle nach der anderen bei ihrer Landung am Ufer zu. Am Strand ist keine Menschenseele. Es ist fast als ob wir durch ein kleines Paradies fahren, das bisher jedem verborgen geblieben ist. Ein Geheimtipp, den wirklich noch niemand verraten hat.
Mit einem Mal ändert sich die Landschaft wieder. Der Strand ist nicht mehr flach, sondern fällt steil ab. Von Möwen umkreiste Felsen tauchen auf, an denen sich die hohen Wellen brechen. Von unserem Zug aufgeschreckt, kreisen die Möwen wild in der Luft herum. Keine Angst, wir sind bald weg.
Halt in San Luis Obispo
Ich bin mit dem Coast Starlight unterwegs von Los Angeles nach San Francisco.
Aufgenommen am: 27.04.2000
Die Idylle wird durch die ersten Wohnhäuser von San Luis Obispo unterbrochen, unserem nächsten Halt nach über 3 Stunden Fahrt. Die weitere Strecke bis Oakland verläuft im Landesinneren, das hier immer noch absolut sehenswert ist. Fernab der großen Orte oder voller Highways fahren wir durchs Farmland, an Obstplantagen vorbei durchs Salinas Valley.
Inzwischen ist man sich auch im Zug ein wenig näher gekommen. Zwei Reihen hinter mir sitzt ein amerikanischer Deutschlehrer. Übrigens ist er der erste Amerikaner, den ich treffe, der deutsch sprechen kann. Wir unterhalten uns über dieses und jenes – Smalltalk eben. Sein größtes Problem, das er auch gleich zur Sprache bringt: „Wann sagt man IN die Schule und wann AUF die Schule?“ Hätte nie gedacht, dass ich mal einem Lehrer in seinem Fach etwas beibringen kann.
Es wird langsam dunkel und wir erreichen Oakland, wo wir in den Bus nach San Francisco umsteigen. Wir fahren über die Oakland Bay Bridge hinein in die Stadt. Es kommt mir so vor, als ob ich vorgestern erst hier gewesen war. Ach ja, ich war vorgestern hier.
An der letzten Station, Shopping Centre, frage ich den Busfahrer, wie ich jetzt wohl am schnellsten zur Post Street in mein Hotel komme. Er schließt die Türen, tritt aufs Gas und meint nur „mit mir!“ Eine wirklich nette Geste, die ich natürlich mit einem ordentlichen Trinkgeld belohne.