„Chinatown in San Francisco ist eine ganz eigene Welt. Eine kleine Stadt in der Stadt“. So etwas liest man wohl in jedem Reiseführer über San Francisco. Die Realität hält sich schon recht gut an die Vorgabe, aber ein persönlicher Besuch ist und bleibt doch etwas Einzigartiges.
Man kann so etwas schwer in Worte fassen. Man muss sich treiben lassen können und darf nicht ungeduldig sein. Das Flair kommt nicht rüber, wenn man an einer Straßenecke steht und behauptet: „Ich bin in Chinatown, Flair komm zu mir“
Tor zur Chinatown an der Bush Street
Aufgenommen am: 29.04.2000
Es hilft, wenn man etwas gedanken versunken durch die Nebenstraßen läuft. Bald hört man nur noch chinesisch um einen herum. Bald vermischen sich die verschiedenen Gerüche, die aus den unterschiedlichen Häusern dringen. Vielleicht hört man auch durch eines der offenen Fenster etwas fernöstliche Musik, die das ganze Treiben ein wenig untermalt. Blickt man auf, so sieht man den blauen Himmel. Ihn begrenzen kleine Vordächer über den Häusern. Rote Lampen hängen an Balkonen, die schwarze Schriftzeichen tragen. Man kann sie nicht lesen. Man kann überhaupt nichts mehr lesen. Der Schriftzug auf dem kleinen Lieferwagen, der gerade entladen wird. Die Werbung im Fenster des Gemischtwarenladens. Wo bin ich hier? Bin ich überhaupt noch in Amerika? Für einen Augenblick hat man wirklich den Eindruck, ganz woanders zu sein.
Wenn man jetzt hinüberwechselt zu den Hochhäusern der Stadt, kann man mit Recht von sich behaupten: Ich habe Chinatown erlebt!
Transamerica Pyramid, San Francisco Rechts neben der berühmten Pyramide ist das grüne Flatiron Building zu sehen. Aufgenommen am: 29.04.2000 Wie aus einem Traum erwacht, steht man im Amerika des 21. Jh. Am Ende der Straße ragt die markante Transamerica Pyramide aus dem Häusermeer auf und auch das grüne, spitz zulaufende Gebäude an der Straßenecke fordert sein Recht, beachtet zu werden. Ich setze meinen Weg durch die Bürotürme in Richtung Market Street fort. Hinter den hohen Fassaden werden wohl gerade Geschäfte abgewickelt, vielleicht surft auch nur der eine oder andere gerade durchs Internet. Wer weiß! Wir werden es wohl nie erfahren.
Nach so einem langen Fußmarsch wird es eigentlich mal wieder Zeit, mit der Cable Car zu fahren. Ob mir immer noch nicht langweilig geworden ist? Naja, es gibt nicht besonders viele Strecken mehr, das stimmt schon, aber wenn die richtige Truppe an Bord ist, kann eine Fahrt ganz unterhaltsam werden. Die haben ja manchmal Sprüche drauf...
„All right folks. We’ve got your money so please make sure that we also got you. Hold on now!” werden wir vom Fahrer begrüßt. Der Wagen ist nicht ganz voll, als wir die Endstelle verlassen. An der nächsten Haltestelle suchen die Leute nur auf der rechten Seite Plätze, obwohl links noch einiges frei ist. „Come on over here“ befielt der Fahrer. „My car is very special. It has two sides: one on the right and one on the left”.
Cable Car auf der Hyde Street
Ungeduldiges Warten an der Lombard Street auf die nächste Cable Car.
Aufgenommen am: 23.04.2000
Mit lautem Geklingel geht die Fahrt weiter. „Next is California. California. Can we get rid of somebody?” Wir können, so dass wieder einige Plätze frei werden.
Der weitere Streckenverlauf geht mäßig bergab. Anscheinend liebt es dieser Fahrer, sein Gefährt auch mal etwas ausfahren zu können. Ohne anzuhalten fegen wir über die nächste Kreuzung und fahren weiter bergab. Im Vorbeifahren ruft er den Wartenden zu: „Sorry, this car is totally full. Wait for the next, it’s totally empty.“ Mit dieser Bemerkung ist ein Fahrgast aber überhaupt nicht einverstanden und fragt, wie man so etwas nur mache könne. Der Fahrer gelobt Besserung und ruft daher an der nächsten Ecke, natürlich wieder ohne zu halten, den Wartenden zu: „Sorry, we can’t pick you up. This car is totally empty. Better that way?” Naja, es muss noch etwas an der Feinabstimmung getan werden.
Vor dem Abzweig der Mason Street Line halten wir wieder. „Next Stop: Chinatown. This is your last chance.” Als nächstes steht eine Kurve an. „Ok, left turn, make sure that we don’t lose the right side!“ und schon geht es in voller Fahrt um die Kurve.
Hyde Street, San Francisco
Das steilste Stück der Cable Cars liegt an der Hyde Street, nördlich der Lombard Street.
Aufgenommen am: 23.04.2000
Die Hyde Street ist als Wohnstraße bekannt und Wohnstraßen haben die Angewohnheit, dass auf ihr Autos parken. Nicht immer sind sich die Fahrer der Wagen über die Auswirkungen ihres Parkstils im Klaren. Daher ist ein guter Rat vom Cable-Car Fahrer nicht schlecht: „Right side lean in. Some mirrows are very close and some are even closer.“
An der Lombard Street steigen zwar recht viele aus, doch es wollen auch sehr viele einsteigen. „All right. In this situation only young single ladies – You don’t look like a young single lady, Sir!”
Man sollte annehmen, wir haben nun schon so gut wie alles mitgemacht. Schlimmer kann es nicht mehr werden. Es steht allerdings noch das Steilstück bevor. In Panik lässt der Fahrer alle seine Hebel fallen, der Wagen macht einen enormen Satz nach vorne, wobei er ganz entsetzt ausruft: „Oh my godness, my brakes!“ Natürlich wollte er uns nur mal wieder reinlegen, aber viele leicht grün angelaufene Fahrgäste sind wohl heilfroh, die Bahn am Fisherman’s Wharf unversehrt verlassen zu können. Mir dagegen hat es viel Spaß gemacht. Ich wünsche mir mehr Fahrer dieser Art.
Bevor der Tag zu Ende geht, habe ich noch eine Mission zu erfüllen. Ich habe doch Inge versprochen, ein Hard Rock Café T-Shirt zu besorgen. Außerdem wollte ich doch noch einen zweiten Bären abstauben, damit Steve nicht mehr so alleine ist. Mit etwa 43$ in der Tasche mache ich mich auf den Weg. Natürlich mit der Cable Car.
Ich bin auch guter Dinge und kaufe reichlich bis der Warenwert die 40$ übersteigt und mir ein Bär in Aussicht gestellt wird. Ich gebe mein ok und bekomme die Rechnung präsentiert: 45$ plus ein paar Zerquetschte. Die Steuer! Verdammt, ich habe die Steuer vergessen. Egal, wie wir es auch drehen und wenden: Lasse ich etwas aus, lande ich unter 40$ und damit außer Reichweite des Bären. Ich biete sogar an, für 30$ einzukaufen und 40 zu bezahlen, nur um den Bären zu bekommen.
Der Verkäufer sieht mich an, schaut nach unten, kuckt wieder etwas Mitgenommen aus der Wäsche und ringt sich doch schließlich durch. Ich darf die Waren im Wert von 45$ mitnehmen und brauche nur 43$ zu bezahlen. Seine Worte waren etwa: „I want you to keep the Hard Rock Café good in mind.” Ich bin ihm ewig dankbar. Und Scott auch, so heißt der neue Bär.