Die Amerikaner sind ja echte Spezialisten, wenn es um Superlativen geht. Im Royal Gorge Bridge & Park, etwas westlich von Cañon City, sind gleich mehrere davon vereint. Hier befindet sich neben der welthöchsten Hängebrücke die steilste Standseilbahn und die Seilbahn mit der weitesten Spannweite zwischen zwei Pfeilern. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.
Royal Gorge Bridge
Die Royal Gorge Bridge ist die höchste Hängebrücke der Welt.
Aufgenommen am: 24.09.2002
Zuerst nehme ich mir die 384 Meter lange Royal Gorge Bridge vor und laufe einmal auf die andere Seite. Was ich gar nicht wusste, ist, dass sogar noch Autoverkehr auf der Brücke zugelassen ist. Die Autos rattern über die hölzernen Querbalken und die ganze Brücke wird in heftige Schwingungen versetzt, obwohl die Pkws im Schritttempo unterwegs sind.
Es wird halb eins und der Zug aus Cañon City trifft ein. Mit lautstarken Hupen macht er auf sich aufmerksam. Langsam schiebt die Lok die Waggons durch das enge Tal, eine Fahrt, die wir heute Nachmittag noch miterleben dürfen. Als der Zug tief unter mir unter der Brücke hindurch fährt, filme ich ihn zwischen den Ritzen der Holzbalken hindurch, also durch den Boden der Brücke.
Zum Abschluss gönne ich mir eine Fahrt in der Hühnerkästen ähnlichen Standseilbahn, die sich in 100%igen Gefälle, das entspricht 45° Steigung, dem Boden nähert. Es ist praktisch ein schräger Aufzug.
Auf dem Grund des Tals kann man die Brücke in schwindelerregender Höhe als kleine Linie erkennen, die sich von der einen Seite der Schlucht zur anderen spannt. Die Schlucht selbst kann man wegen der zahlreichen Kurven nicht weiter einsehen, dafür ist man aber dem Arkansas River ein ganzes Stück näher gekommen.
Zug in der Royal Gorge
Das Bild entstand auf der Royal Gorge Bridge
Aufgenommen am: 24.09.2002
Um drei Uhr sind wir in Cañon City verabredet. Um drei Uhr fährt der nächste Zug durch die Royal Gorge, der königlichen Schlucht, oder dem Grand Canyon des Arkansas, wie sie auch oft genannt wird. Wir stehen am Bahnsteig und warten, bis der Zug fast komplett an uns vorbeigefahren ist, damit wir unsere besonderen Plätze einnehmen können, die wohl schönsten Plätze, die es überhaupt in einem Zug geben kann: Vorne in der Lok!
Wir steigen die Leiter zum höher gelegenen Führerstand hinauf. Bob, der Lokführer, begrüßt uns aufs Herzlichste, dann fahren wir im Rückwärtsgang los. Die Strecke ist eingleisig und auch am Bahnhof hat die Gesellschaft keine Rechte, weitreichende Gleise zu benutzen, so dass die Lok nicht umgesetzt werden kann. Daher fahren wir zuerst rückwärts. Damit wir nicht komplett blind fahren müssen, sitzt am anderen Ende des Zuges ein weiterer Angestellter, der mit Bob in ständigen Funkkontakt steht. Da es aber keinen Steuerwagen gibt, also keinen Personenwagen mit Fahrschaltern, muss alles von der Lok aus gesteuert werden.
Die Strecke wird tagsüber bis zu drei mal von der Royal Gorge Route befahren. Nachts verkehren hier noch reguläre Güterzüge anderer Gesellschaften. Da die Strecke also tagsüber „uns“ gehört, brauchen wir uns um andere Züge keine Gedanken zu machen. Es kommen höchstens Funksprüche durch, wir sollten doch etwas langsamer fahren oder anhalten, wenn es neben der Strecke etwas interessantes zu sehen gibt, wie z.B. Rehe, die aus dem Fluss trinken oder eben welchen, die sich die Gleise zur Ruhestätte ausgesucht haben.
Lokführer Bob auf der Royal Gorge Route
Auf der Royal Gorge Route hat man auch als Tourist die Möglichkeit, vorne in der Lok mitzufahren.
Aufgenommen am: 24.09.2002
Nachdem wir das Tal einmal durchquert haben, legen wir den Vorwärtsgang ein und fahren zurück. Jetzt kommt der etwas interessantere Teil. Langsam kämpfen wir uns Kurve für Kurve durch das enge Tal, der Fluss stets rechts neben uns. Wir unterqueren Vorbauten, die im Winter vor Lawinen schützen sollen und passieren Signale, die natürlich auf grün stehen.
Da die langen Güterzüge, wenn sie einmal in Bewegung sind, sehr schwer wieder zu bremsen sind, gibt es mehrere Vorankündigungen, wenn ein rot zeigendes Signal zu erwarten ist. Nach grünen Signalen folgt ein gelb zeigendes, dann ein gelb blinkendes und zu guter letzte das rote in Abstand von je einer Meile. Das heißt, man hat 3 Meilen, um die Tonnen von Stahl zum Stillstand zu bringen.
Wir erreichen wieder die Stelle, wo wir die Royal Gorge Bridge unterqueren. Bob macht sich durch lautes Tuten bemerkbar. Hier neben dem Gleis haben wir schon heute morgen gestanden, doch auf dem Führerstand einer Lok, die alle Leute gerade wie das achte Weltwunder ansehen, ist das doch etwas anderes.
Wir setzen unsere Fahrt durch das immer noch enge Tal fort. Links neben mir fahren die Felswände zum Greifen nah an meinem Fenster vorbei. In meinem Rückspiegel sehe ich nur die ersten beiden Waggons. Für Telgrafenleitungen ist kein Platz neben der Strecke mehr, so dass sie über der Strecke gespannt sind.
mit dem Zug durch die Royal Gorge
Wir sind rückwärts nach Parkdale raus gefahren. Nun steht die Rückfahrt nach Cañon City durch die Royal Gorge an.
Aufgenommen am: 24.09.2002
Doch leider viel zu schnell öffnet sich das Tal wieder und wir steuern auf Cañon City zu. An den beiden Bahnübergängen vor der Stadt machen wir noch einmal ordentlich Lärm. Zum Abschluss bekommt jeder von uns noch ein Zertifikat mit auf den Weg und wir verabschieden uns nach 3 Stunden wieder von Bob und seinen beiden Plüschaffen. Haben die auch Namen frage ich. Klar, Auto und Matik!
Zurück nach Colorado Springs fahren wir nicht über die SR-115, sondern über die Phantom Canyon Road, einer etwa 30 Meilen langen Staubstraße, die durch die pure Einsamkeit führt. Ursprünglich war das einmal eine Eisenbahntrasse gewesen. Der Radioempfang ist in diesem abgelegenen Tal nicht besonders, um es deutlich zu sagen, sehr mies, so dass wir wieder einmal CD Nr.8 hören, eine von drei CDs, die wir mit aus Deutschland gebracht haben. Wir hatten uns beide auf ein Auto mit Kassettendeck eingestellt. Inzwischen kennen wir jedes Lied in und auswendig. Die holprige Straße lässt ab und an den CD Spieler aussetzen, doch das gehört einfach dazu.
Nach etwa einer Stunde Fahrt, es wird schon langsam dunkel, erreichen wir Victor, einem Ort, wo sprichwörtlich der Hund begraben ist und sämtliche Bürgersteige außer Sonntags hochgeklappt sind. Niemand ist mehr auf den Straßen unterwegs. Eine Person unterhält sich im General Store noch mit der Inhaberin, sonst ist hier absolute tote Hose.
Gerade mal 6 Meilen weiter liegt der Ort Cripple Creek, wo direkt das Geräusch von Spielautomaten á la Las Vegas ins Ohr dringt. Große Busse parken vor den mächtig blinkenden Casinos. Las Vegas in Taschenformat. Wir bleiben zwar nicht lange, aber doch lange genug, um auch ein paar Runden zu zocken. Es mag vielleicht arrogant klingen, aber auch hier habe ich Glück und gewinne zusammengerechnet einen Dollar. Immerhin!