Wieder einmal eine dieser furchtbar kurzen Nächte. Bereits um 4:30 Uhr sollen wir vom Hotel abgeholt werden, um einem ganz besonderen Erlebnis beizuwohnen: Einer Ballonfahrt über der Wüste.
Seit vorgestern hält sich unsere Vorfreude in Grenzen. Wir sind skeptischer geworden. Wird das heute wieder so ein Reinfall oder ist die Gesellschaft ihr Geld wert?
Aufbau vor der Ballonfahrt über die Wüste
Aufgenommen am: 03.10.2002
Manfred ist schon eher fertig als ich und wird nun vorgeschickt, vorne am Empfang auf den Shuttlebus zu warten. Als ich fünf vor halb ebenfalls eintreffe, wartet bereits der Bus mit weit geöffneten Türen auf mich. Dann kann es ja losgehen. Wir sind die ersten Gäste, die mit einem kräftigen „Good morning. How are you doin’?“ abgeholt werden. Beim nächsten Stop steigt gleich eine größere Gruppe zu und wir sind vollzählig. Über die nächtlichen Vorstadtstraßen von Scottsdale geht es hinaus in die Wüste. Weil es noch so früh ist, fallen mir immer wieder die Augen zu.
Wir sind abfahrbereit
Aufgenommen am: 03.10.2002
Geweckt werde ich durch ein kräftiges Schütteln. Wir befinden uns auf Staubwegen zwischen wilden Kakteen. Vor uns fährt ein Kleinlaster, der offensichtlich Korb und Ballon transportiert.
Dann halten wir auf einem etwas größeren Platz an, wo bereits mehrere Teams damit beschäftigt sind, die Körbe aufzustellen und die Ballons startklar zu machen.
Wir können live miterleben, wie auch unser Ballon aufgebaut wird. Ich glaubte bis jetzt, dass es ewig dauern würde, bis sich der Stofffetzen mit genügend Luft gefüllt und aufgerichtet hat, doch ich werde nun eines besseren beleert.
Hand in Hand arbeitet das Team. Jeder Handgriff sitzt. Zuerst wird der Brenner am Korb montiert und danach auf die Seite gelegt. Zeitgleich wird die Ballonplane ausgerollt und die Verankerungsseile am Korb befestigt. Jetzt werden rechts und links des Korbes große Ventilatoren aufgestellt, die erst einmal Luft in den Ballon blasen, damit er an Volumen gewinnen kann.
Ballonfahrt über der Wüste Arizonas
Insgesamt starten heute 4 Ballons. Wir folgen gerade dem vor uns gestarteten.
Aufgenommen am: 03.10.2002
Währenddessen klärt uns unser Pilot Mike über Sicherheitshinweise und dem Verhalten beim Landen auf. Er ist sehr gewissenhaft und nimmt seine verantwortungsvolle Aufgabe ernst. Beim Landen sollen wir uns alle in eine ganz bestimmte Richtung lehnen, damit der Korb nicht umfallen kann.
Der Ballon ist schon recht groß geworden. Am oberen Ende werden die verschiedenen Leinen sortiert, damit sie sich später nicht verknoten. Jetzt wird der Brenner angemacht, der die bereits im Ballon befindliche Luft erhitzt, wodurch der Ballon samt Korb sich aufstellen. Mike ist bereits eingestiegen und winkt uns nun zu.
Ballonfahrt über der Wüste Arizonas
Unser Abflugplatz von oben. Nach uns werden noch zwei weitere Ballons starten.
Aufgenommen am: 03.10.2002
Der Korb ist noch mit mehreren Seilen im Boden verankert, doch er zieht schon sehr gewaltig daran.
Als wir alle sicher im Korb stehen, läuft die Fahrerin des Kleinlasters einmal um den Korb herum und bietet sich an, Fotos von den Personen im Korb zu machen. Eine nette Geste.
Nun heißt es Leinen los und wir heben ab. Wenn der Gasbrenner abgeschaltet ist, schweben wir ganz lautlos knapp über die Landschaft hinweg. Der Wind treibt uns in die Richtung eines Hügels, den wir nun überfliegen - pardon - überfahren müssen. Mike gibt alles, was der Gasbrenner hergibt, doch die Spitze eines Kaktus muss dran glauben.
Insgesamt starten hier heute vier Ballons. Einer ist bereits vor uns gestartet und hat den Hügel schon gepackt, ein weiterer startet kurz hinter uns. Der letzte befindet sich noch im Aufbau.
Während wir so dahinschweben, erzählt uns Mike ein wenig über Fauna und Flora. Es ist praktisch Erdkunde- und Biologieunterricht in einem, nur einmal anders. Wie ein Leerfilm zieht der Boden unter uns vorbei.
Kaktus in der Wüste Arizonas
Aufgenommen am: 03.10.2002
Tja, und wo ist der vor uns fahrende Ballon hin verschwunden? Ich kann ihn nicht mehr entdecken, bis ich einmal weit nach oben sehe. Das können wir auch. Ein paar Gasflammen später befinden auch wir uns hoch oben am sehr sonnigen Himmel über Arizona. Mike erzählt uns, dass sie gestern so schlechtes Wetter gehabt haben, dass sie nicht einmal starten konnten. Was haben wir doch heute wieder ein Glück, es ist schon fast unverschämt.
Ballonfahrt über der Wüste Arizonas
Aufgenommen am: 03.10.2002
In der Ferne liegt Phoenix. Die zahlreichen Dächer glitzern in der Sonne. Auf der Autobahn vor der Stadt quält sich der Berufsverkehr über die dichten Straßen. Wie angenehm es doch hier oben ist. Selbst die Temperatur ist durch den Gasbrenner und der aufgehenden Sonne sehr angenehm, man braucht nicht mal eine Jacke.
Wir sinken wieder, um mit dem „Unterricht“ fort zu fahren. Dabei schweben wir leise wie eine Feder im Wind. Apropos Wind: Durch verschiedene Winde in verschiedenen Höhen sind alle Ballons auf verschiedene Kurse geleitet worden. Wir befinden uns nun schon fast außer Sichtweite der anderen. Wir sind komplett vom geplanten Kurs abgewichen. Aber dagegen kann man als Ballonfahrer wenig machen. Man ist den Launen des Windes ausgesetzt.
Mike gibt über Funk unsere neue Position und Richtung durch und es wird ein neuer Landeplatz vereinbart. Aber die Helfer müssen erst einmal dorthin gelangen, weswegen wir „leider“ unsere Fahrt um etwa eine halbe Stunde verlängern müssen. Ich denke, keiner an Bord wird diese „Unannehmlichkeit“ auch nur im geringsten negativ bewerten. Ganz im Gegenteil: Wir werden noch weiter unseren Schatten über den Wüstenboden wandern sehen. Und genauso lautlos wie der Schatten bewegen auch wir uns fort.
Ballonfahrt über der Wüste Arizonas
Aufgenommen am: 03.10.2002
Wir erreichen den neuen Landeplatz und setzen auf einem betonierten Stück Weg auf. Der Ballon, immer noch dem Wind ausgesetzt, zieht noch mächtig am Korb, der lautstark gegen einen Bordstein kracht und dort zum Stehen kommt. Mike zieht an einer Reißleine und der Ballon fällt in sich zusammen. Nun können wir gefahrlos aussteigen. Nur wie zum Geier kommt eine Bordsteinkante hier mitten in die Wüste?
Pilot Mike bei der Urkundenvergabe
Aufgenommen am: 03.10.2002
Die Erde hat uns wieder und nach alter Ballonfahrer Tradition wird dieser Dank mit einem Kuss auf den Boden gewürdigt. Man hat uns Decken ausgebreitet, um die Sache etwas vornehmer zu gestalten. Nebenan erwartet uns eine gut gefüllte Frühstückstafel. Belegte Brote, Schinken und ein wenig Obst, dazu Champagner, serviert auf mit Ballonmotiven verzierten Porzellantellern vor gepolsterten Bänke. Was man nicht alles mit wenigen Handgriffen zaubern kann.
Während wir in aller Ruhe frühstücken, wird hinter uns der Ballon und der Korb wieder aufgeladen. Auch hier sitzt wieder jeder Handgriff. Im Nu ist alles verstaut.
Zum Abschluss bekommt noch jeder eine kleine Urkunde von Mike persönlich überreicht, bevor wir wieder zum Hotel zurückgebracht werden. Ein absolut gelungener Morgen.
Im Hotel relaxen wir noch ein wenig am Pool, denn es war doch sehr früh diesen Morgen. Gegen Mittag brechen wir dann Richtung Westen auf. Auch heute ist eigentlich wieder ein reiner Fahrtag geplant, der aufgrund der in der Planungsphase geänderten Route nötig geworden ist. Direkt in einem durch fahren wir zum Joshua Tree Nationalpark, dem letzten Naturpark auf unserer Reise. Kurz vor Los Angeles geht es noch einmal in die absolute Einsamkeit.
Am Cholla Cactus Garden halten wir kurz für eine kleine Wanderung durch das Kaktusfeld. Die Kakteen dieser Gattung sehen eigentlich ganz harmlos aus, doch ihre Stacheln sind mit kleinen Widerhaken versehen, die sich ganz schmerzhaft in der Haut verkeilen können.
Joshua Tree NP
Aufgenommen am: 03.10.2002
Oft wird erzählt, die Stacheln würden bereits vom Windzug eines vorbeigehenden Lebewesens mitgerissen werden, doch da haben wir den Gegenbeweis angetreten: Selbst mit einem Wanderstock können wir keinen einzigen Stachel vom Kaktus lösen.
Was aber viel gemeiner ist, sind die vielen auf dem Boden verstreuten Stacheln, die irgendwann einmal abgefallen sind. Unvorteilhafterweise habe ich heute kurze Hosen an, doch selbst lange hätten mich nicht vor den tückischen Stacheln bewahrt: Kurz oberhalb des Knies bohrt sich ein fieses Exemplar durch die Hose durch.
Einen zweiten Stop legen wir beim Hidden Valley ein. Für mehr werden wir heute auch keine Zeit mehr haben, da bereits die Sonne untergeht. Golden gefärbt liegt der Boden im letzten Schein des Tageslichts. Dahinter türmen sich wie überdimensional große Kieselsteine weiße Steinberge auf. Die Schatten dieser Berge rasen über die Erde und verschlingen bald alles im nächtlichen Schwarz.