Haltestelle der T in Brookline Village
Aufgenommen am: 15.10.2005
Gut gestärkt fällt es mir auch nicht schwer, zwei U-Bahn Stationen zum Copley Square zu laufen, da am Kenmore Square, wo ich nächtige, keine Tageskarten für das Bostoner Nahverkehrsnetz verkauft werden. Ich bin zwar nicht knapp bei Kasse und hätte daher auch mit der U-Bahn dorthin fahren können, aber was soll ich denn sonst den ganzen Tag machen? Es regnet mal wieder. Ich bin schon ein paar Schritte vom Hotel weg, da entscheide ich mich doch, noch einmal hoch zu rennen und meinen Schirm zu holen. Echte Premiere! Das erste Mal, dass ich in einem Urlaub einen Schirm aufspanne! Eine weise Entscheidung wie sich später herausstellen wird. Ich habe einfach keine Lust mehr, mit schweren durchnässten Jeans durch die Gegend zu rennen.
Mein Weg führt mich durch die Newbury Street, einer schicken Einkaufsstraße von Boston. Selbst jetzt, wo noch die Geschäfte geschlossen haben, versprüht die Straße ein gewisses Flair. Leider spült der Regen fast alle positiven Gedanken weg.
Für mich wird es Zeit, ein wenig mit der Straßenbahn kreuz und quer durch die Vororte zu fahren. Gegen ein Uhr finde ich mich am Boston College wieder, wo ich schon gestern aus Langeweile hingefahren bin. Aus der Pfütze auf der Straße ist schon ein mächtiger See geworden. Es bläst ein kalter Wind, der die Blätter von den Bäumen fegt, die dann in den Rinnsteinen von reißenden Bächen direkt abtransportiert werden, nur um den nächsten Abfluss zu verstopfen. Es werden sich also noch weitere Seen auf den Straßen bilden.
Aus den Augenwinkeln nehme ich gerade noch einen Bus wahr, der als Ziel „Harvard“ angibt. Ich sehe auf meine Uhr: noch eine halbe Stunde, bis die kostenlose Führung dort beginnt. Vielleicht kann ich es ja noch schaffen, wenn ich den nächsten Bus nehme.
auf dem Campus der Harvard Universität
Aufgenommen am: 15.10.2005
Kennt ihr das? Ihr steht an einer Haltestelle, es kommt der Gegenbus, quer fahren 4 Straßenbahnen über die Kreuzung sowie zahlreiche andere Busse, nur der, auf den man wartet, lässt sich wie immer unheimlich viel Zeit? Warum ist es in den USA nicht üblich, wenigstens mal Fahrpläne aufzuhängen?
Gegen 14:05 treffe ich in Harvard ein. Ein wenig zögernd betrete ich das Universitätsgelände. Darf man hier so einfach herumlaufen? Ach, warum denn nicht. Vielleicht gehe ich ja auch als Student durch.
Hochwasser auf dem Campus der Harvard Universität
Aufgenommen am: 15.10.2005
Und tatsächlich, der erste, der mich anspricht, will von mir eine Wegbeschreibung haben, wie man sich auf diesem Gelände zurechtfindet. Man hält mich tatsächlich für einen Harvard Studenten.
Um die nächste Ecke finde ich eine größere Gruppe, die einem jungen Mann mit blauem Regenanorak ihre gesamte Aufmerksamkeit schenkt. Das scheint die Führung zu sein. Jedenfalls schließe ich mich den Leuten einfach mal an.
Wir laufen über den Campus und bleiben vor diversen Gebäuden stehen Unser Führer ist ein Harvard Absolvent und so hören wir nicht nur die offiziellen, manchmal langweiligen Fakten, sondern auch eigene Erinnerungen. Leider besichtigen wir keine Gebäude von innen. Diese sind nur den Studenten vorbehalten.
Massachusetts State House
Ursprünglich saß der Gouverneur von Massachusetts im Old State House, bis dieses Gebäude 1798 fertiggestellt wurde. Das Grundstück gegenüber dem Boston Common liegt auf dem höchsten Punkt im Stadtteil Beacon Hill. Die ursprünglich hölzerne Kuppel ist heute mit Blattgold überzogen.
Aufgenommen am: 15.10.2005
Pünktlich am Ende der Führung stellt jemand den Regen ab. Na endlich! Mit der Red Line geht es über die Longfellow Bridge zurück in die Stadt, wo die U-Bahn ein kurzes Stück oberirdisch fährt und dafür sorgt, dass die Brücke auf meine To-Do-Liste aufgenommen wird, denn von hier bietet sich ein schöner Ausblick auf die Bostoner Skyline.
An der Station Park Street ist für mich Endstation. Ganz in der Nähe beginnt mitten im Boston Common der Freedom Trail, ein etwa 4km langer markierter Weg durch die Stadt, der alle wichtigen historischen Sehenswürdigkeiten verbindet. Gestern Abend war es schon zu dunkel, um von den einzelnen Punkten ein Foto zu machen, was ich hiermit nachhole.
Faneuil Hall
Der Kaufmann Peter Faneuil war maßgeblich an der Finanzierung der 1742 erbauten Versammlungs- und Markthalle beteiligt. 1822 wurde der Komplex um den Quincy Market erweitert und nach Bürgermeister Josiah Quincy benannt, der es fertigbrachte, zum Bau weder Steuergelder zu verwenden noch einen Kredit aufzunehmen.
Aufgenommen am: 15.10.2005
An der Hanover Street Ecke Blackstone überquere ich eine Art Straßenmarkt. So wie sich die Stände hier ausgebreitet haben, wird es sicher Tage dauern, die Straße wieder passierbar zu machen.
Weiter an der Old North Church findet heute eine Trauung statt, so dass der Bereich um die Kirche abgesperrt ist. Dennoch hat sich der Weg hierhin gelohnt. Ich liebe das North End, aber das habe ich ja schon gestern erwähnt.
Straßenmarkt in Boston
Ein scheinbar heilloses Chaos, doch etwa eine Stunde später war vom kompletten Markt nichts mehr zu sehen.
Aufgenommen am: 15.10.2005
Auf dem Rückweg in die Stadt bin ich mehr als erstaunt. Wo ist der Straßenmarkt hin? Übrig ist nur noch ein Berg von leeren Kisten. So lange war ich doch gar nicht weg gewesen. Oder wurde inzwischen die Zeitmaschine erfunden?
Als ich Beacon Hill erreiche, ist es schon dunkel. Irgendwie habe ich mir dieses Viertel etwas romantischer vorgestellt. Die Häuser mögen ja sicher sehr schön sein, doch im Schein der alten Gaslaternen ist wenig zu erkennen.
Ich erreiche die schon erwähnte Longfellow Bridge. Zeit, meine lieb gewonnene Digitalkamera auf einige Nachtbilder anzusetzen. Für die längeren Belichtungszeiten wäre nun sicher ein Stativ ganz nützlich, aber das breite Brückengeländer wird wohl denselben Zweck erfüllen. Am Himmel ziehen eilige Wolken vorbei. Sehr interessant zu beobachten, wie die Wolken in unterschiedlichen Höhen in unterschiedliche, fast entgegengesetzte Richtungen ziehen.
abends auf der Longfellow Bridge
Von der Long Fellow Bridge nahe Beacon Hill eröffnet sich ein schöner Blick auf Bostons Skyline. Über diese Brücke fährt auch die Red Line Richtung Harvard.
Aufgenommen am: 15.10.2005
Ich ziehe auch weiter und zwar mit der nächsten U-Bahn wieder nach Harvard. Sicher ist das Gelände noch geöffnet. Es ist Samstag, also werden sicher einige Studenten außerhalb des Campus wilde Partys feiern. Kaum habe ich das Gelände betreten, um auch hier noch ein paar Nachtfotos zu machen, werde ich mal wieder nach dem Weg gefragt. Vielleicht sollte ich mich morgen hier wirklich mal bewerben. Das richtige Erscheinungsbild scheine ich schon zu haben.
South Market, dahinter die Bürotürme der Großstadt
Aufgenommen am: 15.10.2005
Langsam bekomme ich Hunger und so mache ich mich auf zum Hard Rock Café am Copley Square. Naiverweise dachte ich, das HRC an einem so großen Platz werde ich schon irgendwie finden, doch nun werde ich eines besseren belehrt. Die extra für den Urlaub angefertigten Notizen liegen sicher und trocken im Hotelzimmer. Nach einer erfolglosen Suche frage ich einfach beim nächsten Hotelportier einer teuren Edelherberge nach. Schließlich müssen deren Angestellte den reichen Snobs doch alle Lokalitäten im Schlaf herunterbeten können.
Im Hard Rock Café geht wie üblich die Post ab. Die Dekoration richtet sich ganz nach der Jahreszeit: überall hängen bunte Laubblätter. Mein Riesensteak ist schnell serviert und wird nun restlos verputzt. Doch das allerschönste: Sowohl für das Essen als auch für die anschließend im Shop gekauften Souvenirs zahle ich dank meiner zwei Mitgliedskarten keinen einzigen Cent.
Zum Abschied gehe ich noch einmal den Freedom Trail ab und sinke gegen halb eins zufrieden in die Kissen meines Hotelbetts.