Old City Hall
Aufgenommen am: 15.10.2005
Und hier heißt es auch gleich, geduldig Schlange stehen. Vor mir spielt ein Japaner alle nur denkbaren Pannensituationen durch und möchte haarklein wissen, was dann zu tun ist. Hat der sonst nichts zu tun? Wie will der noch sein Fotopensum für den Tag schaffen?
Ich bin einfach nur froh, dass ich mich mit meinem frisch gemieteten Buick in den Straßenspaghetti von Boston nicht verfahre und schon bald die Großstadthektik hinter mir lasse. Es geht auf der 95 Richtung Norden. Die Straße ist in New Hampshire und anschließend in Maine zwar gebührenpflichtig, aber die paar Cent sind es mir schon wert, nicht in jedem Ort an einer roten Ampel Zeit zu verplempern. In der Mittelkonsole klimpern fröhlich die von vorherigen Urlauben übrig gebliebenen Münzen.
Die Landschaft lässt so richtiges Herbstfeeling aufkommen. Bunte Bäume recken sich zwischen noch immer grünen hervor. Es ist Mitte Oktober und ich frage mich, ob der Höhepunkt der Laubfärbung hier erst noch einsetzen wird? Das würde ja bedeuten, ich wäre in etwa zur richtigen Zeit hier unterwegs.
Apropos unterwegs: Inzwischen bin ich bereits in Maine, habe aber kein einziges Staatenschild gesehen. Habe ich die verschlafen oder stehen entlang der Autobahn hier keine?
ich als Straßenbahnfahrer im Seashore Trolley Museum
In diesem Museum kann, wer das nötige Kleingeld besitzt, auch als Besucher mal eine Straßenbahn über die Gleise steuern. Schöner war dieses Erlebnis allerdings in New Haven, CT.
Aufgenommen am: 16.10.2005
Das Seashore Trolley Museum in Kennebunkport ist schnell gefunden. Auf diesen Besuch freue ich mich schon seit Jahren. Gegen entsprechendes Kleingeld hat man als Besucher die Möglichkeit, selber eine Straßenbahn über die museumseigene Strecke zu fahren.
Die Vorfreude wird aber schnell gebremst, als an der Kasse eine Diskussion beginnt, ob heute überhaupt dieses Programm durchgeführt werden kann, da der standardmäßig dafür eingesetzte Wagen in der Werkstatt steht. So langsam werde ich etwas sauer. Warum habe ich denn mein Kommen mehrfach per E-Mail angekündigt?
Ich bekomme einen Ersatzwagen, der allerdings etwas tückisch ist. Die Bremse wird gelöst, wenn man auf’s Bremspedal steigt und umgekehrt bleibt der Wagen stehen, wenn man seinen Fuß da herunternimmt. Ach irgendwie werde ich schon damit klar kommen.
PCC Trolley im Seashore Trolley Museum
Aufgenommen am: 16.10.2005
Aus der Schleife am Visitor Center fährt zuerst mein Lehrer heraus, weil es etwas Fingerspitzengefühl verlangt, langsam, aber nicht zu langsam über die Weichen zu fahren. Auf der geraden Strecke durch den Wald darf ich den Wagen dann auf Höchstgeschwindigkeit bringen. Kleine Schilder an der Oberleitung geben Anweisungen, wann zu klingeln und wann zu bremsen ist, doch ist es etwas schwierig, diese zu lesen, da man im Stand durch die niedrigen Fenster eigentlich nur die Schiene vor sich sieht.
Am Wendepunkt fährt wieder mein Lehrer durch die Schleife. Typisch, wenn es mal endlich etwas interessant wird, dann darf ich nicht ran. Auf gerader Strecke zu fahren kann doch jeder. Jedenfalls bin ich ziemlich sauer, als wir wieder am Visitor Center angekommen sind. Die Fahrt war echt nicht ihr Geld wert.
Bussammlung im Seashore Trolley Museum
Aufgenommen am: 16.10.2005
Inzwischen ist der strahlend blaue Himmel einer grauen Ausgabe gewichen und es bläst ein unangenehm kalter Wind. Erinnerungen an Island / Grönland werden wach. Daher halte ich mich auch nicht mehr lange auf dem Gelände auf. Ganze zwei Wagen sind heute auf der Strecke im Einsatz und ansonsten kann man sich nur zwischen Straßenbahnen in den voll gestopften Wagenhallen quetschen. Zu sehen gibt’s wegen der Enge aber verhältnismäßig wenig.
Anders als im westlichen Teil der USA, wo eine gewisse Route wegen der geringen Anzahl der Überlandstraßen praktisch vorgegeben ist, hat man hier in Neuengland eine große Auswahl an verschiedenen Wegen. Ich setze mich in den Wagen, breite meine 3 verschiedenen Landkarten der Region aus, die fast alle unterschiedliche Straßen zeigen und entscheide mich spontan für eine Querfeldeinfahrt auf kleinen Straßen vorbei am Lake Winnipesaukee.
Es wird eine wirklich sehr schöne Fahrt, doch irgendwann lässt eine der grauen Wolken wieder etwas Wasser fallen. Wo ist nur der strahlend blaue Himmel vom Morgen hin?
Kancamagus Scenic Byway
Aufgenommen am: 17.10.2005
In den White Mountains schüttet es schon ganz ordentlich. Als erstes steuere ich das Visitor Center in Lincoln an und besorge mir den National Forrest Parking Pass, den man braucht, wenn man im gleichnamigen Wald sein Auto abstellen möchte. Bei der Gelegenheit frage ich auch gleich nach der Lost River Gorge, die ich heute noch gerne besucht hätte, doch leider hat die bereits wegen Überflutung geschlossen.
Etwas enttäuscht fahre ich rüber nach Conway, wo ich für drei Nächte im Tanglewood Motel vorgebucht habe. Gestern beim Frühstück habe ich eine Reportage gesehen, dass das Tanglewood Anwesen wegen Überflutung geräumt werden würde. In welche Sintflut bin ich hier nur hineingeraten? Glücklicherweise stellt sich heraus, dass hier eine ganz andere Hotelanlage gemeint war, obwohl der Bach hinter meinem Motel auch schon bedrohlich hoch steht.
Saco River Bridge bei Conway
Über die Brücke führt die East Side Road in der Ortschaft Conway.
Aufgenommen am: 16.10.2005
Mit dem Vermieter verfalle ich in den typischen Smalltalk. Als ich mich als Deutscher zu erkennen gebe, nutzt er die Gelegenheit, um eine Frage loszuwerden, die er schon lange mit sich herumträgt: „Wie heißt die DDR eigentlich heute?“ Aber alle Erklärungsversuche scheitern. Irgendwie begreift er nicht, dass Ost- und Westdeutschland nun ein einziges Land geworden sind.
Am Abend sehe ich mir noch die beiden Covered Bridges von Conway an, bevor ich, als es dunkel wird, etwas fernsehe. Ich finde einen Spielfilm, den ich bereits in Deutschland gesehen habe und daher einigermaßen kenne und so fällt es mir doch auf, dass an einigen Stellen Szenen der strengen amerikanischen Zensur zum Opfer gefallen sind, ohne die aber der Film überhaupt keinen Sinn mehr ergibt.