Mit der Hochbahn werden die paar Meter bis zum Chicago River im wahrsten Sinne des Wortes überbrückt. Zu Fuß geht es dann weiter über die North Michigan Avenue, die aufgrund der hier enorm hohen Preise für Grundstücke, Mieten, Einkaufsgüter und abzuzahlende Strafen für Ladendiebstahl „Magnificient Mile“ genannt wird. Vielleicht ist Chicago deshalb auch nicht mehr die verruchte Gangsterhochburg? Bei Mister Wash bekommt man die Geldwäsche sicher preiswerter hin.
Aussicht vom Hancock Building nach Norden
Die Strandpromenade am Lake Michigan. Im Hintergrund ist schon deutlich der Lincoln Park zu sehen.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Egal, Schwamm drüber. Das nächste Hochhaus will erklommen werden. Eine große breite Treppe führt ins Untergeschoss des Hancock Building. Warum beginnen eigentlich alle Fahrstühle zur obersten Etage im Tiefgeschoss? Müssen die erst Anlauf nehmen?
Hier wartet überraschenderweise gar keine Schlange und man kann geradewegs den nächsten Aufzug nehmen.
Oben angekommen eröffnet sich ein für Markus noch ungewohnter Blick auf die Stadt. Den Sears Tower hatte er schon zweimal bezwungen, aber das Hancock Building ist Neuland. Bei Micky ist es genau umgekehrt, weswegen praktischerweise halt beide Türme an der Reihe sind.
Aussicht vom Hancock Building nach Süden
Für viele deshalb die bessere Sicht auf Chicago: Der Blick vom Hancock Building auf den Sears Tower und die anderen Hochhäuser der Innenstadt.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Das Hancock Building steht näher am Lake Michigan, von daher sieht man hier auf eine Strandpromenade und gegenüber der daran vorbeiführenden mehrspurigen Schnellstraße die ersten Hochhäuser, die bis fast ans Wasser reichen. Nach Süden wieder die Hochhäuser der Innenstadt mit dem alle überragenden Sears Tower. Welche Aussicht ist nun die bessere?
Irgendwie sind beide gut. Ok, das Hancock Building überzeugt noch etwas durch den geringeren Ansturm und den Blick auf den Sears Tower, aber alle wollen sie auf den Sears Tower. Alle wollen sie nur von oben auf einen herabschauen. Widerlich.
'L' vom Hancock Building aus betrachtet
Ein Zug der Brown Line befindet sich gerade in der Verschlingung um die Kirche an der Hill Street zwischen den Stationen Chicago und Sedgwick.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Wieder zurück auf den Boden der Tatsachen, geht es zur Anlegestelle der Wendella Boote. „Ach, deshalb ist niemand oben auf dem Hancock Building, die stehen alle hier an.“ Zum Wunschtermin sind leider keine Tickets mehr zu bekommen, sondern erst in zwei Stunden. War das ein guter Deal? Wäre es nicht besser gewesen, sich zuerst ein Fahrrad zu mieten und am Abend mit dem Boot zu fahren, um genügend Zeit für die Fahrradtour zu haben? Jetzt müssen nämlich erstmal zwei Stunden totgeschlagen werden, die nachher vielleicht fehlen. Autsch, die armen Stunden.
Great Lawn vor dem Jay Pritzker Pavillon im Millennium Park
Aufgenommen am: 02.09.2007
„A walk in the park“ lautet das Motto, immer schön von Schatten zu Schatten. Kann man einen richtigen Sport draus machen. Markus ist noch immer mit seinen Winterstiefeln und der langen Hose bestraft. Man beschließt, eine Rast auf einer Bank einzulegen und die Energie für die geplante Fahrradtour aufzuheben.
Chicago Bean im Millennium Park
Durch die gewölbte Oberfläche spiegelt sich alles Umliegende verzerrt in dieser überdimensional großen Bohne.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Auf der Bank nebenan sitzt ein Amerikaner, der gerade sein Gesicht eincremt. Hätte Markus auch nötig, aber seine Sonnencreme ist bestenfalls gerade über Grönland. Man kommt in den üblichen Smalltalk. Woher? Wohin? Beautiful Trip. An den Akzenten verraten sich unsere beiden Mitteleuropäer natürlich mal wieder und so schwenkt auch der Amerikaner überraschend auf Deutsch um und erzählt von seiner Ehe in Deutschland, den Jahren in Heidelberg. Ein etwas komischer Kauz, dessen Gesicht die Sonnencreme scheinbar in sich aufsaugt und über die Arme und der Hand zurück in die Tube fließen lässt, denn bestimmt eine halbe Stunde lang wird gecremt wie ein Weltmeister.
Stadtrundfahrt per Boot auf dem Chicago River
Aufgenommen am: 01.09.2007
Markus und Micky, kurz M&M, verabschieden sich, da sie ihr Boot nicht verpassen wollen. An der Anlegestelle bildet sich wieder eine endlos lange Schlange. Wollen die etwa alle noch mit aufs Schiff? Also schnell nach oben gehechtet und einen Platz an der Sonne gesichert. Leider nicht an der Reling mit uneingeschränktem Blick, aber Hauptsache, nicht alles durch getönte Fensterscheiben sehen zu müssen.
Es dauert unendlich lange, bis endlich alle an Bord sind und einen geeigneten Platz gefunden haben. Gedanklich ist man von „Hoffentlich geht’s bald los“ immer mehr zu „Langweilig!“ übergegangen. Ich kann die beiden gut verstehen. Boote haben meist die Angewohnheit, fernab jedem schönen Präriegrasbüschel zu verkehren…
unterwegs auf dem Chicago River
Architekturkunde mal anders: Vom Boot aus werden interessante Fakten und Anekdoten über die Gebäude der Stadt erzählt.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Der Anker wird gelichtet und schon schaukelt man den Chicago River entlang. Da die meisten Sitze quer zur Fahrtrichtung angeordnet sind, blickt man nun vorzugsweise entweder nach rechts oder nach links. Interessante Fakten und Anekdoten werden von einer Sprecherin live auf dem Boot gesprochen, die neben der Schiffsbrücke steht und in Fahrtrichtung rechts blickt. Das heißt, alle, die sitzplatzbedingt nur nach links blicken, sehen ohne Verrenkungen gar nicht, worüber gerade gesprochen wird. Erst, als das Schiff wendet, haben sie die passende Aussicht, aber jetzt hat sich ja auch der Blickwinkel der Erzählerin geändert und dasselbe frustrierende Spielchen geht von vorne los.
unterwegs auf dem Lake Michigan
Das markante hohe Gebäude auf dem Bild ist das Hancock Building.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Am Ende des Chicago River befindet sich eine Schleuse, bevor man hinaus auf den Lake Michigan gelangt, der ein paar Zentimeter höher liegt. Für die Amerikaner scheint dies ein ganz besonderes Moment zu sein. Etwas, was viele noch nie zuvor gekannt, gesehen oder erst recht erlebt haben. Voller Spannung verfolgen sie die Prozedur. Die hintere Schleusenwand wird geschlossen und die vordere geöffnet, so dass Wasser vom See hineinströmt und den Höhenunterschied ausgleicht. Micky scherzt „Was die wohl sagen werden, wenn ich ganz laut Langweilig in die Runde rufe!?“ Wir werden es glücklicherweise nie erfahren.
Leuchtturm an der Hafeneinfahrt von Chicago
Aufgenommen am: 02.09.2007
Ein Blick vom See auf die Stadt lohnt sich alle Male und es unterstreicht auch, dass die gewählte Reihenfolge erst Boot dann Fahrrad die richtige Entscheidung gewesen ist, denn bei einer abendlich statt findenden Tour hätte man sonst genau in die dann hinter den Häusern befindlichen Sonne geschaut.
Eine Schleife nach Norden bis auf Höhe des Hancock Buildings wird gedreht, dann wieder um den Navy Pier vorbei zurück nach Süden bis zum Sears Tower und schon ist die Zeit wieder um und wieder schicken uns an, erneut durch die Schleuse zu fahren. Jetzt wird auch offensichtlich, warum die Tour insgesamt 90 Minuten dauert, denn allein durch die beiden Schleusenfahrten geht etliche Zeit verloren.
Stadtrundfahrt per Boot auf dem Chicago River
Aufgenommen am: 01.09.2007
Neben unserem Boot nutzen noch etliche andere Boote die Gelegenheit, sich 30 cm tiefer legen zu lassen. Es ist immerhin Wochenende, morgen sogar ein nationaler Feiertag (Labor Day), also ein verlängertes Wochenende und daher nicht verwunderlich, dass die Stadt vor lauter Besuchern nur so wimmelt. Schilder an der Einfahrt der Schleuse regeln ganz genau, wer hier Vorfahrt hat und wer bei gefüllter Schleuse draußen bleiben muss, doch eine Gruppe Legasthenikern zieht es vor, den Weg des Wendella Boots zu schneiden. Man lässt für die Touristen keine Attraktion aus und so wird einem statt einer langweiligen Schleusenfahrt noch ein mittleres Streitgespräch geboten.
Hancock Building, Chicago
Das Foto wurde im Lincoln Park aufgenommen, nördlich der Innenstadt gelegen.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Wie schon erwähnt, will man sich am Nachmittag noch etwas sportlich betätigen und so werden am Nordende des Grant Parks Fahrräder gemietet. Micky ist anfangs noch etwas skeptisch. Mountain Biking geht er zu Hause regelmäßig, aber mit so einem früher von ihm nur belächelten City Bike mit breitem Lenker und ohne Gangschaltung durch die Stadt radeln, muss das wirklich sein?
Nur wohin jetzt mit den Rucksäcken? Die ganze Fahrt über auf dem Rücken tragen? Nein, da gibt es doch noch so schöne Körbe, nur wie befestigt man sie am Fahrrad? Bei Markus’ Korb sind die Haltestangen so schön verbogen, dass man ihn leicht am Lenker befestigen kann. Micky ist etwas ratlos und bekommt vom Vermieter kurzerhand Kabelbinder, um das Problem zu fixieren.
Es geht los. Erst ein Stück bergauf und dann bis zum Lake Michigan bergab. Teilweise über sehr holpriges Gelände, so dass Markus’ Korb nicht nur einfach eingehangen wurde, sondern ebenso leicht auch wieder herausspringen kann. Tja, zuerst die scheinbar bessere Wahl verkehrt sich nun ins Gegenteil. Man behilft sich, indem die Geschichte bei zu erwartenden Unebenheiten halt festhält.
Ungewohnt bei diesen Bikes ist auch die Rücktrittbremse, denn zumindest Markus ist seit 16 von 27 Jahren nicht mehr auf einem Fahrrad dieser Bauart unterwegs gewesen, aber wie auch bei der Umstellung Schaltauto/Automatik geht das nach einiger Zeit recht gut. Nur der herab springende Korb, der dann dazu neigt, den Rucksack dabei auf die Straße zu werfen, nervt noch ein wenig. Da fehlt wohl ein Korbbeschwerer in Form eines Bisons.
per Fahrrad unterwegs im Lincoln Park, Chicago
Das Foto wurde im Lincoln Park aufgenommen, nördlich der Innenstadt gelegen, das Ziel unseres kleinen Ausflugs per Fahrrad.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Ziel des Ausflugs ist der Lincoln Park im Norden der Stadt. Stellt man sich in Deutschland darunter eine schöne Parkanlage mit gepflegten Wegen durch ein Blumenmeer vor, so findet man hier eine Straße quer durch den Park mit lauter Parkplätzen und ziemlich rauen, schmalen Wegen vor. Tja, ein Amerikaner fährt halt mit dem Auto so weit vor, wie er kann und braucht den Picknickkorb dann nicht mehr weit tragen, behauptet aber später, er wäre mitten im Park an frischer Luft im Grünen gewesen.
Außer einem schönen Ausblick auf die in der Ferne liegende Stadt mit dem Hancock Building als Erkennungszeichen gibt es nicht viel zu sehen oder zu tun in diesem großen Park. Auch für ein Picknick wird eine schönere Stelle am Ufer des Lake Michigan auserkoren. Von der Südspitze des Belmont Harbor Drives ist die Aussicht mindestens genau so schön, das Ziel per Fahrrad aber bequemer erreichbar als irgendeine Wiese im Lincoln Park und zudem noch ruhiger gelegen.
Buckingham Fountain im Grant Park
Der Buckingham Fountain ist vielen sicher bekannt aus der Serie 'eine schrecklich nette Familie'. Links hinter dem roten Hochhaus versteckt sich der Sears Tower.
Aufgenommen am: 02.09.2007
Statt ein paar Büschel der saftigen Wiese zu probieren, bevorzugen die beiden belegte Sandwiches von Subway. Menschen sind schon komische Viecher. Bezahlen ein Heidengeld dafür und lassen die besten Stücke einfach unbeachtet herumstehen. Ich denke, irgendwann werden die Menschen daher aussterben und wir Bisons wieder den Nordamerikanischen Kontinent beherrschen. Ein erster Schritt scheint ja schon getan: Heißt der derzeitige Herrscher nicht irgendetwas mit Busch oder so? Bei dem Gedanken alleine bekomme ich schon wieder Hunger.
Ok, zurück zu Chicago. Der Rückweg in die Stadt steht an, aber mit diesen City-Bikes mit großzügiger Übersetzung geht die Fahrt recht gemütlich und entspannt. Micky ist inzwischen regelrecht begeistert und bezeichnet die Fahrradmiete als eine großartige Idee. Ihm wäre dies Vorhaben alleine nie in den Sinn gekommen. Tja, man muss halt auch mal etwas Neues ausprobieren.
Markus ist nun zum dritten Mal in Chicago und doch hat er es einfach noch nicht geschafft, die Schilder der legendären Route 66 zu fotografieren. Das muss jetzt unbedingt nachgeholt werden. Beim ersten Besuch hat er sogar auf der Route 66 (Adams Street) übernachtet, doch wegen Dunkelheit beim Passieren der Schilder dies immer auf später verschoben. Beim zweiten Besuch hat ihn die Memorial Day Parade abgelenkt, aber diesmal soll es endlich geschehen.
Ist sicher auch keine schlechte Tour. Wahrscheinlich sind gerade auch einige Besucher in der Stadt, die genau dies planen. Aber Ziel dieser Reise ist es ja, zuerst ein gelangweiltes Bison im Badlands NP zu befreien und danach Verwandte im Yellowstone zu besuchen. Hoffe ich doch.
Zurück im Hotel – die Spannung steigt – ist doch tatsächlich ein weiterer Mitreisender eingetroffen: Markus Koffer! Doch ist er nicht nur verspätet angekommen, sondern auch ziemlich mitgenommen. Eine Rolle von zwei ist schlichtweg abgerissen, so dass wir es nun mit einem einarmigen Banditen zu tun haben. Das kann ja heiter werden, denn - hey, wer hat hier schon wieder das Licht ausgemacht? Typisch Ranger, als ob wir Bisons Röntgenaugen hätten. Ok, dann wird jetzt geschlafen und morgen weiter über die erste Fahrt Richtung Wisconsin berichtet.
Herzlichst, euer Buffalo Bill.