Wenn man den ganzen Tag in der Kälte herumläuft, ist man abends wirklich froh, wenn man früh ins warme Bett darf. Entsprechend früh ist man am nächsten Morgen wach. Heute sogar so früh, dass ich ohne große Probleme noch den Zug um 6:00 Richtung Milwaukee erreichen kann. Ok, der noch nicht ganz auskurierte Jetlag trägt auch seinen Teil dazu bei.
Chicago ist eisenbahnmäßig der Dreh- und Angelpunkt für die ganze USA. Es gibt kaum ein Ziel, dass man von hier aus nicht erreichen kann. Hier beginnen die Fernlinien zum Pazifik genauso wie die Strecken Richtung Osten. Für viele ist Chicago daher der Umsteigebahnhof auf ihrer langen Reise quer durch die USA. Eine riesige Empfangshalle zeugt aus der Zeit, als die Bahn noch das wichtigste Verkehrsmittel war, um die Riesenentfernungen zu überbrücken.
Blick von Osten auf Milwaukees Innenstadt
Wir befinden uns auf der East Mason Street gegenüber dem Milwaukee Art Museum.
Aufgenommen am: 27.11.2004
Und kurz vor sechs Uhr morgens? -
Der Bahnhof ist ausgestorben. Ich finde gerade eine Putzfrau und einen Sicherheitsbeamten, der mir auch nicht sagen kann, wo ich Fahrkarten kaufen kann. Alle Schalter sind noch geschlossen. Da die Türen selten geöffnet werden, staut sich in der riesigen Halle die Hitze. Im Sommer hat man ja das Problem, eine Erkältung zu bekommen, wenn man irgendeinen klimatisierten Raum betritt. Im Winter erlebt man genau das gegenteilige Extrem.
Fünf vor sechs finden sich noch weitere 5 Fahrgäste ein und es lässt sich mal jemand von der Amtrak blicken. Fahrkarten gibt’s im Zug, Abfahrt in wenigen Minuten von Gleis 26. Das ist doch mal eine Aussage.
Unser Zug besteht aus 3 Waggons, wovon der letzte mir alleine gehört. Draußen ist es noch dunkel als wir Chicago verlassen und mindestens zwei Mal lautstark eine Hauptstrecke im 90° Winkel kreuzen. In der Dunkelheit huschen ein paar Mal hell erleuchtete, nach Griswold Manier beschmückte Häuser am Fenster vorbei.
Waterstreet Brewery, Milwaukee
Aufgenommen am: 27.11.2004
Mit der Zeit wird es langsam hell. Als ich in Milwaukee aus dem Zug steige, scheint die Stadt noch zu schlafen. Erst nach und nach kommen mir die ersten Jogger entgegen. Und es werden immer mehr. Milwaukee scheint eine richtige Joggerstadt zu sein. Selbst der einsetzende Regen scheint niemand wirklich zu stören, abgesehen von mir.
Wie schön wäre doch die Uferpromenade, der Yachthafen, die Aussicht auf die Stadt, wenn sich ein strahlend blauer Himmel hinter den wirklich schönen Altstadthäusern erstrecken würde, vielleicht noch ein wenig Schnee im Park und der Mensch wäre glücklich.
Nein, als ich zwischen den Häusern von einer Straßenseite auf die andere wechsle, um die vielen netten Häuser zu fotografieren, muss immer wieder ein Tropfen vom Himmel fallen. Meinem Empfinden nach wäre es auch kalt genug für Schnee, doch das täuscht wahrscheinlich. Der Wind ist wirklich eisig.
Ich wollte die Wisconsin Avenue eigentlich nur kurz verlassen, um vom schmucken Rathaus ein Foto zu machen, doch jede Nebenstraße offenbart einen neuen Anziehungspunkt: eine schöne Weihnachtsbeleuchtung, eine historische Häuserzeile, ein schöner Weihnachtsbaum oder auch ein eigensinnig gebautes Bürogebäude. Ist es nicht das Schönste am Urlaub, auch mal etwas Zeit für solche Ablenkungen zu haben?
Milwaukee Riverwalk
Aufgenommen am: 27.11.2004
Zurück zur Wisconsin Avenue geht es den Riverside Walk entlang, einem kleinen Promenadenweg am Milwaukee River. Im Sommer werden hier sicher viele Festivals veranstaltet und man sitzt gemütlich draußen auf der Terrasse.
Zum Abschluss schlage ich noch den Weg Richtung Westen ein. Pabst Mansion soll mein weitester Punkt werden. Sah im Internet irgendwie interessanter aus. Schöner anzusehen ist da schon eher die Marquette University, die auf dem Weg liegt, und die festlich geschmückten Kirchen.
Auf der Rückfahrt nach Chicago bin ich bei weitem nicht der einzige im Zug. Diesmal kann ich sogar von Glück sagen, noch einen Sitzplatz abzubekommen.
Den Nachmittag verbringe ich wieder nördlich des Chicago Rivers. Shoppen, Schlemmern im Hard Rock Café, Musik, gute Laune – und der Tag ist gerettet.
Dieser Abend wird bereits mein letzter in Chicago sein. Obwohl ich noch nahezu einen kompletten Tag in dieser Stadt verbringen werde, muss ich doch schon wieder von einem Teil der Stadt Abschied nehmen. Ich habe es die letzten Abende geliebt, am Chicago River entlang zu schlendern und die Lichter der Stadt zu beobachten. Unter den Brücken leuchten bunte Lichter im Wasser, wie Scheinwerfer auf einer Bühne.
Viele Hochhäuser erstrahlen ebenfalls in bunten Farben, die meisten werden aber mit weißem Licht anstrahlt. Es wirkt nicht aufdringlich, sondern eher künstlerisch, phantasievoll. Unbedingt zu empfehlen ist eine Fahrt mit der „L“ von Norden auf die Stadt zu. Kurve für Kurve baut sich das Lichtermeer der Stadt vor den Fenstern auf.
Auf dem Christkindlmarkt ist noch immer einiges los. Die Buden haben bis weit in den Abend hinein geöffnet und auch die kleine LGB Bahn dreht ihre Runden zwischen den beleuchteten Rentieren.