Schon am Frühstückstisch werde ich auserkoren, hinunter zum Fisherman’s Wharf zu fahren und unser Auto zu holen. Eine Pflicht, die ich gerne auf mich nehme, ist dies doch gleichzusetzen mit einer weiteren Cable Car Fahrt. Der Morgen ist kühl und ich muss erst mal die Scheiben von Tauwasser befreien. Bevor ich den Wagen zum Hotel lenke, kann ich es aber nicht unterlassen, die Lombard Street einmal herunter zu fahren und mich so auf zahlreichen Amateurvideos zu verewigen.
goldenes Kalifornien
Unterwegs auf der SR-120 östlich von Modesto auf dem Weg Richtung Oakdale.
Aufgenommen am: 09.09.2002
Wir fahren über die Oakland Bay Bridge und weiter über die Interstate 580 ins Landesinnere und in zügiger Fahrt raus aus dem Gewühl. Mit zunehmender Fahrt verringert sich die Anzahl der Fahrspuren und gleichzeitig auch der Verkehr. Auf einmal macht Autofahren richtig viel Spaß. Kein Termin jagt einen, keine stressigen Situation, einfach nur durchs goldene Land fahren.
Bei Stockton verlassen wir die Interstate und legen eine kurze Mittagspause ein, bevor es über die SR-120 und über kleinere Pässe ins Herz des Yosemite Nationalparks geht. Direkt am Parkeingang erwerben wir den Nationalparkpass, der auch unsere Eintrittskarte in die nächsten 13 Parks sein wird. Damit sind unsere 50$ gut angelegt. Jede Person zahlt so pro Nationalpark noch nicht mal 2$.
Merced River, Yosemite NP
Aufgenommen am: 09.09.2002
Nach mehreren kleineren Fotostopps stellen wir im Yosemite Valley endgültig unser Auto ab, um etwas wandern zu gehen. Ich habe mir vorgestellt, dass wir uns die Yosemite Falls einmal näher ansehen, und ich glaube auch, bereits das Plätschern des Wassers zu hören, doch ich habe mich geirrt: Ich höre nur den Wind und die Fälle sind nach einem regenarmen und sehr heißem Sommer praktisch ausgetrocknet, was wir schon kurz hinter der Brücke über den Merced River feststellen. Wir beschließen, uns den Weg zu sparen und suchen nach einer Alternative, die wir im Four Mile Trail gefunden sehen.
Four Mile Trail, Yosemite NP
Ausblick vom Four Mile Trail auf den Felsen, wo eigentlich die Yosemite Falls in die Tiefe stürzen sollten. Nach einem langen, heißen Sommer, ist nur leider kein Wasser mehr da.
Aufgenommen am: 09.09.2002
Wir setzen uns kurz in unser Auto und fahren zum Ausgangspunkt des vier Meilen langen Weges. Hierbei handelt es sich um vier Meilen pro Richtung, dass ist uns auch schon klar, doch wie viele Höhenmeter dabei zu überwinden sind, davon werden uns heute abend unsere Füße ein Liedlein singen.
Es fängt ganz harmlos an. Wie jeder Wanderweg geht es leicht bergauf und manchmal auch ein Stück bergab über Steine, Wurzeln und sandigen Boden. Der Weg verlangt keine besonderen Kletterkünste und bringt uns so Schleife für Schleife den Berg ein Stück weiter nach oben. Das Tal entfernt sich immer weiter und ich bin froh, dass der Weg auf der Schattenseite des Berges angelegt ist, weil die Nachmittagssonne doch ziemlich heiß zwischen den schattenspendenden Bäumen scheint. Ein Blick nach oben lässt erahnen, dass es nicht mehr weit sein kann: Noch ein paar Kurven und wir stehen auf dem Gipfel des Berges. Doch es handelt sich nur um einen Vorsprung, hinter dem es im gleichen Spiel Kurve für Kurve weiter nach oben geht.
Nach zwei Stunden stetigen Wandern setzen wir uns zur Rast und rätseln, wie weit es denn noch sein mag. Wir sind zuversichtlich, es innerhalb der nächsten Stunde geschafft zu haben. Also weiter! Wieder geht es Kurve für Kurve weiter bergauf. Wieder täuscht ein Felsvorsprung das baldige Ende des Berges vor.
Nach insgesamt drei Stunden sind wir schon ein wenig erschöpft, dennoch umso neugieriger, wie weit wir denn schon gekommen sind und nun fest davon überzeugt, dass es nicht mehr sehr weit sein kann.
Blick auf das Yosemite Valley
Kommt man von Süden (SR-41), sollte man direkt nach dem Tunnel links auf den Parkplatz fahren und die Aussicht auf das schöne Yosemite Valley genießen.
Aufgenommen am: 10.09.2002
Nach dreieinhalb Stunden ist es dann endlich vollbracht, der Berg ist bezwungen. Der Glacier Point bietet einen wohltuenden Ausblick in das tiefe Tal, aus dem wir emporgestiegen sind. Wir müssen zugeben, dass es doch ganz schön hoch hinaus ging. Östlich von unserem Standpunkt wird der Half Dome von der Abendsonne angestrahlt. Der Aussichtspunkt leert sich langsam und auch wir müssen uns bald auf den langen Rückweg machen, um wenigstens noch ein Teil des Weges im Tageslicht zurücklegen zu können.
Auf dem Weg bergab begegnen wir niemanden mehr. Wir waren wohl die letzten, die am heutigen Tage emporgestiegen sind. Da wir uns – wie bereist erwähnt – auf der Schattenseite des Berges befinden, wird es schnell dunkel. Eiligenschrittes, aber keineswegs übereilt, suchen wir unseren Weg zurück ins Tal. Ich hole meine Taschenlampe aus dem Rucksack hervor und leuchte den Rest des Weges nach unten.
Als wir wieder an der Straße ankommen, ist unser Wagen der einzige, der noch auf dem Parkplatz übrig geblieben ist. Spart uns wenigstens die Sucherei nach dem richtigen Wagen.
Als wir im Hotel ankommen, habe ich und meine Füße wirklich nur noch einen einzigen Wunsch: ins Bett legen und vom Rest der Welt nichts mehr hören und sehen.
Aber ich würde den Weg jederzeit wieder laufen! Wir bereuen es nicht!